
Die Rede von Prof.Yannis Valinakis
GRIECHENLAND UND SEINE NACHBARN
Griechenland hat in den letzten Jahrzehnten aussenpolitisch eine konstruktive, manchmal sogar eine führende Rolle in Südosteuropa gespielt. Der Ziel der griechischen Regierungen ist es gewesen, in der ganzen Region gutnachbarliche, von aktiver Zusammenarbeit geprägte Beziehungen herzustellen und als Anreiz dafür die EU- Perspektive zu nützen. Das gilt insbesondere für die Türkei, die in Griechenland traditionell als die grösste Sicherheitsbedrohung angesehen wird.
Kern der griechischen Politik ist, ganz Südosteuropa zu einer ” europäischen Nachbarschaft” zu machen, das heisst zu einer Region die dem Rest Europas gleicht — ein Raum wo Frieden, Demokratie und Wohlstand herrschen, und wo — und das betrifft die Türkei, Militärische mitteln gegenüber Nachbarstaaten einfach undenkbar sind.
BALKAN
Griechenland hat in Südosteuropa seit der 70er Jahre viele Formen von bilateraler und multilateraler, politischer oder wirtschaftlicher Zusammenarbeit entwickelt, und somit seine geopolitische Rolle gestärkt.
Nach dem Ende des Kommunismus hat Athen als strategischen Ziel die europäisierung seiner Nachbarschaft nachdrücklich gefolgt, und deswegen eine führende Rolle für die europäische Integration Sloweniens, Zyperns (2004), Bulgariens, Rumäniens (2007) und Kroatiens(2013) gespielt.
So etwas passiert natürlich nicht von allein. Diese Nachbarn haben die Beitrittsvoraussetzungen voll erfüllt.
Nach der griechischen und europäischen Krise von 2010 könnten der Westbalkanpolitik schwere Zeiten bevorstehen. In den EU- Hauptstädten herrscht seit einiger Zeit Unsicherheit, wenn nicht Opposition gegenüber neue Erweiterungsschritte. Auch in Südosteuropa ist der Europa-Realismus gegenüber der Europa- Begeisterung auf dem Vormarsch.
EJRM
Die Beziehungen zur « Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien »sind problematisch, seitdem diese Republik ihre Unabhängigkeit erklärt hat.
Sie wurde nach griechischem Druck durch die VN Sicherheits Rat Resolutionen unter diesen vorläufigen Namen anerkannt , bis Verhandlungen mit Athen unter der Vermittlung des Sonderbeauftragten Mathew Nimetz über ihren Namen zu einer Einigung geführt haben.
Unter Verletzung dieser VN- Resolutionen bemüht sich Skopje jedoch, im internationalen Verkehr unter der eigenen Version ihres Namens , d.h.als “Republik Mazedonien ” anerkannt zu werden, und feindliche Propaganda gegen Griechenlands eigene mazedonische Identität zu betreiben.
Im Lauf der Zeit und durch den häufigen Gebrauch des abgekürzten Namens ” Mazedonien” durch die Massenmedien hat die Anzahl der Staaten, die Skopje unter der Kurzfassung ihres Namens anerkannt haben, zugenommen.
Die offene Namensfrage stellt seit dem NATO- Gipfel in 2008 unter anderem ein Hindernis auf dem Weg in die euroatlantische Institutionen dar.
Die Lösung kann nur in einem zusammengesetzten Namen mit einem geographischen Zusatz liegen, der Skopje daran hindert, die mazedonische Identität zu monopolisieren.
DIE TURKEI
Die Türkei steht seit der Zypernkrise von 1974 im Zentrum der griechischen Aussen- und Verteidigungspolitik. Die türkische Invasion und nachfolgende Besetzung des nördlichen Teils von Zypern war für Griechenland eine hochtraumatische Erfahrung, aber auch ein Ansporn zu neuem Denken in seiner Sicherheitspolitik. Die ” türkische Bedrohung” entstand,
• — erstens, weil von einem NATO- Mitglied militärische Mittel gegen einer zu 80% von Griechen bewohnten Republik eingesetzt wurden, und ,
• — zweitens, wegen der zahlreicher aggressiven türkischen Erklärungen, militärische Gewalt gegen griechische Inseln einzusetzen.
Die Türkei hat in einer Entschliessung des Parlaments ausdrücklich damit gedroht, sie werde die Ausdehnung des griechischen Küstenmeers von sechs auf zwölf Seemeilen als “casus belli“ betrachten. Unter Berufung auf das Seerechtübereinkommen der VN hat sich Griechenland den türkischen Anspruchen auf den Festlandsockel der östlichen griechiscen Inseln mit Erfolg widersetzt.
Hintergrund dieses Streits ist, dass von den insgesamt 3.000 Ägäischen Inseln, gehören nur zwei der Türkei, die einer der wenigen Staaten ist, die das VN Seerechtsübereinkommen nicht unterzeichnet haben. Trotzdem versucht Ankara, dauernd, und das auch mit militärischen Mitteln, Anspruch auf die östliche Hälfte des Meeresbodens und einige unbewohnte griechische Kleininsel und Felsen zu erheben.
Diese Bestrebungen haben die beiden Nachbarstaaten bereits an den Rand des Krieges gebracht, als während der Imia- Krise von 1996, eine türkische Kommandoeinheit auf einer griechischen Insel landete.
Athen erwartet von der Europäisierung der Türkei , dass diese zu einem «Soft Power» Nachbarn wird, der sich auf diplomatische Instrumente statt auf militärische Macht konzentriert. Das setzt eine kontinuierliche Annäherung an europäische Standards voraus, und würde deswegen eine echte Veränderung der türkischen Griechenlandpolitik erlauben.
Trotz der aktiven griechischen Stützung der europäischen Perspektive der Türkei, konnte aber kein wiklicher Durchbruch in den politischen Beziehungen erzielt werden. Verschiedene Vorfälle besonders in Luftraum können mit einem Schlag zur Eskalation der Spannungen führen.
Die Annaherung zwischen beiden Staaten bleibt daher fragil und der EU-Beitritt der Türkei unsicher.
DIE AUSWIRKUNGEN DE KRISE
Griechenlands Image, sein Ansehen und seine Glaubwürdigkeit haben durch die Finanzkrise stark gelitten. Das hat seinen Einfluss innerhalb der EU, aber auch bei seinen Nachbarn gemindert. Griechenland braucht deswegen dringlich ein neues Denken in seiner Europa- und Aussenpolitik.
Viel mehr zu tun gibt es auch aber im Inneren, wo die politische und wirtschaftliche Lähmung aus der verlängerten Instabilität, dem blinden sozialen Zorn und den administrativen Schwerfälligkeiten, gravierende Folgen fur Griechenlands Zukunft haben kann.
Die wachsende Kluft zwischen denen, die an die europäische Zukunft des Landes glauben, und jenen, die Europa die Schuld für die missliche Lage des Landes geben, ist gefährlich und zwecklos. Die Art wie sich Griechenland auf diese Fragen einstellt, wird seine Einflussmöglichkeiten in Europa und seine Nachbarschaft bestimmen.